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Der besondere Fall- Schussverletzung Katze
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Vorbericht:
Am Dienstag, dem 26. August wurde uns in der Sprechstunde eine Katze mit einer Lahmheit der rechten Vordergliedmaße vorgestellt.
Es handelte sich um eine junge (ca. 2 Jahre alten) Katze, die scheinbar besitzerlos am Dorfrand von Seegrehna
aufgegriffen wurde, da sie sich nur auf drei Beinen fortbewegen konnte.
Klinische Untersuchung:
Eine Fraktur des rechten Oberarmknochens wurde festgestellt, doch erst durch die Röntgenaufnahme wurde die Ursache deutlich: Eine Bleikugel
hatte den Oberarmknochen getroffen und diesen in der Mitte zertrümmert. Eine Splitterfraktur mit metallernen
Fremdkörpern in der Wunde war der eine Teil des Befundes, eine zweite Kugel steckte noch im Bereich des Brustbeines (siehe Röntgenaufnahme). Als Nebenbefund
war noch die insgesamt geschwollene und aktivierte Milchleiste auffallend, ein Hinweis auf saugende Welpen!
Problem:
Es war sofort klar, daß das Einschläfern der Katze zwar die einfachste Lösung wäre, aber für uns nicht in Betracht kam.
Das Problem war, daß die Katze keinen Besitzer hatte und eine korrekte Behandlung hier sehr aufwändig und kostenintensiv ist.
Viele Telefonate am gleichen Abend mit dem Notdienst der Feuerwehr und anderen Ämtern brachten keinen Hilfszusagen.
Behandlung:
Die Katze erhielt sofort nach dem Röntgen die notwendige Grundversorgung und wurde stationär aufgenommen. Am nächsten Morgen sicherte uns das Ordnungsamt der Stadt
Wittenberg die Übernahme von etwa einem Viertel der OP-Kosten des ersten Eingriffes zu. Mit der Finderin vereinbarten wir, daß sie sich an die Presse wendet, um
über diese Tierquälerei zu informieren und das Gespräch sowie die Aufmerksamkeit der Bürger zu erhöhen, damit nicht weitere Tiere angeschossen werden.
Die Katze wurde am selben Vormittag noch von Frau Dr. Petzold operiert. Aus dem Knochen konnten einige Kugelstückchen entfernt und der Oberarmknochen so ausgerichtet werden,
dass mittels sechs Metallpins, die in einer Metallplatte fixiert werden, die Frakturenden ruhiggestellt werden damit sie wieder zusammenheilen können.
Röntgenbild bei der Einlieferung (rechts)
Der Oberarmknochen ist in der Mitte durch das Projektil zertrümmert worden. Die Kugel hat sich verformt und ist dabei in Stücke gegangen.
Ein Teil des Projektils steckt noch in der Muskulatur, die Frakturenden sind durch die Muskelkontraktur aneinander vorbei gedrückt und der Oberarm ist dadurch verkürzt.
Eine zweite Kugel ist ganz unten als runder weißer Fleck am Brustbeinrand zu erkennen.
Röntgenaufnahme bei Einlieferung
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Nach der Operation:
Kritisch ist die Zeit nach der Operation bis die Tiere sich an die Metalimplantate gewöhnen, deshalb musste die Katze noch
eine Weile nach der OP beruhigt werden, dannach erfolgte eine Periode mit intensiver Therapie (Schmerzmittel, Antibiotika, Physiotherapie)
und in dieser Zeit wird sie angefüttert. Die normalen Körperfunktionen werden kontroliert.
In der nachfolgenden Zeit: wie geht es weiter?
Die Katze ließ sich nach anfänglichen Schwierigkeiten gut behandeln (tägliche Injektionen/ Medikamente ins Futter). Sie ist auch
sehr verschmust und das erleichtert den Umgang ungemein. Sie wurde gegen innere und äußere Parasiten behandelt. Mittleirweile
frisst sie regelmäßig und erhält vier mal täglich Streicheln, Schmusen und Massage der Pfote / Wundpflege. Eine Woche nach der OP
erfolgte die erste Röntgenkontrolle (leider ging es nur in Narkose, da sie für eine gelungene Aufnahme absolut still liegen muss).
Bald werden die Fäden aus der Haut gezogen, die Knochenheilung wird aber mindestens 3 Monate dauern und so lange behält sie die Implantate.
Auch darf die Katze nicht ins Freie, sie bleibt vorerst bei uns in der Praxis auf Station.
Hier "wohnt" sie in einem sehr geräumigen Käfig mit Katzenklo und sehr bequemem Katzenbett, sie darf aber oft heraus (immer beim
Streicheln und Füttern) und dann wird ihr auch der Leckschutzkragen abgenommen, damit sie sich etwas putzen kann.
Folgebehadlungen:
Auch wenn die Knochenheilung ab jetzt optimal verlaufen sollte, werden noch mindestens zwei Operationen nötig sein: eine erste OP
wenn die Milchleiste abgeschwollen ist um die zweite Kugel zu entfernen. Gleichzeitig werden wir die Katze kastrieren und eine
Röntgenkontrolle durchführen. Die zweite Operation wird zur Entfernung der Implantate nötig sein, das ist aber ein relativ "kleiner"
Eingriff. Auch werden immer wieder Röntgenkontrollen der Heilung erfolgen müssen.
Kosten:
Die Kosten bis zum Tag 10 nach der OP belaufen sich auf etwas über 1000 Euro. Alleine die Metallplatten und Pinns kosten ca. 180 Euro.
Damit man versteht, warum eine "Knochen-Op" so kostenintensiv ist, muss man wissen, das mindestens 2 Leute vollkomen steril
verkleidet operieren müssen, eine dritte Hilfskraft reicht Instrumente und Sonstiges an und ein weiterer Arzt betreut das Tier als
Anästhesist. Ein sehr hohes Maß an Sterilität muss herschen, denn Infektionen sind im Knochen sehr schwer zu bekämpfen und müssen unbedingt
vermieden werden.
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Bild 2: Bei uns auf Station
Am Anfang sind einige Tage Käfigruhe notwendig.
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Bild 3: Mittlerweile guckt sie gerne aus dem Fenster und zeigt auch Kofortverhalten (putzen).
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Danksagung
Wir waren erstaunt und erfreut über die ungemeine Hilfsbereitschaft, die auf die Berichte in der Mitteldeutschen Zeitung und dem MDR Fernsehen
folgte. Viele tierliebe Menschen haben etwas gespendet (an die Finderin und teilweise an die Praxis), viele "unserer" Patientenbesitzer
direkt in der Praxis. Besonders hervorheben als Spender möchten wir auch das Ordnungsamt der Stadt Wittenberg, die Frau Christa Teske und Frau
Thaens, die höhere Summen gesendet haben. Zur Zeit sind Spenden in Höhe von ca. 850 Euro eingegangen. VIELEN DANK AN ALLE! (auch die "kleinen"
2 Euro Spenden haben zu dieser Summe beigetragen und eine Schmerztablette oder Futter für einen Tag geschenkt!)
Extradank:
Extradank auch an die Finderin, sich der Katze erbarmt hat und sie zur Behandlung mitgebracht hat.
Extradank auch an Fr. Dr. Johanna Petzold, die aus dem Wochenbett aufgestanden ist, um die Katze zu operieren.
An Anja, die ich aus dem Urlaub an den OP-Tisch hohlen durfte.
An Katy (Tierärztin), die sich spontan zur Assistenz für die Operation bereit erklärte.
An Jan (Katys Ehemann), der unsere kleine, 10 Tage alten Tochter, stundenlang auf dem Arm geschaukelt hat, damit Fr. Dr. Petzold operieren kann.
An alle, die uns noch geholfen haben und ich hier nicht aufgelistet habe.
SPENDEN
Es besteht noch immer die Möglichkeit für die Therapie und die noch durchzuführenden Eingriffe zu spenden:
Kontoinhaber : Heidetierärzte GbR, Dr. Petzold & Dr. Nicolae
IBAN : DE 26 8055 0101 3000 0016 10
Verwendungszweck: Spende für die Behandlung Schussverletzung Katze aus Seegrehna
Vielen Dank!
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Bild 3: Bei uns auf Station
Im kleinen Käfig ist sie nur drin, wenn die Station geputzt wird.
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Bild 4: Diese Luftgewehrkugel wurde aus der Milchleiste herausoperiert.
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Text und Bilder von Dr. Markus Nicolae, am 6. September 2014
Nachtrag:
nach vier Monaten wurden einige und nach sechs Monaten alle Metallpins, die senkrecht zum Knochen standen, entfernt. Bei einer dieser Operationen wurde die Katze,
die mittlerweile "Frieda" getauft wurde, auch kastriert.
Nach sechs Monaten "auf Station" wurde Frieda vorsichtig wieder, in kurzen Aufenthalten, an draussen (es war nun schon Frühling) gewöhnt. Zunächst war sie noch sehr ängstlich.
Erst nach etwa neun Monaten wurden die letzten Implantate (der Intramedulläre Pin - der der Länge nach im Oberamknochen steckte- und die Cerclagedrähte) entfernt. Zu diesem Zeitpunkt war sie schon
sehr zutraulich und fühlte sich wohl.
Hier das lezte Bild mit einer gefangenen Maus etwa dreizehn Monate nach der Einlieferung.
Alles Gute, Frieda!
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